Marco Rüegg zur Energiewende

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“Situationen wie Ende 2022 lehrten uns, dass die Abhängigkeit in Sachen Energie gewaltig ist (70% Öl und Gas) Und die Gefahr einer Versorgungslücke sehr gross. Die Alarmglocken müssten viel lauter schlagen.” 

“Die dezentrale und erneuerbare Energieerzeugung muss von unten nach oben funktionieren. Vom Gebäude zum Quartier zum Dorf zur Region; jede Einheit muss möglichst viel Energie erzeugen, speichern und verbrauchen.” 

“Die Solarenergie sehe ich als Schlüsseltechnologie, lokale kleine Netzwerken (Microgrids), kombiniert mit mobilen Speichern in Fahrzeugen und lokalen Speichern auf verschiedenen Netzebenen.”

Fairpower: Welche Maßnahmen müssen ergriffen werden, um die Energiewende umzusetzen? 

Marco Rüegg:
Ich bin überzeugt, dass wir ein strukturelles Problem haben. Die dezentrale und erneuerbare Energieerzeugung muss von unten nach oben funktionieren. Vom Gebäude zum Quartier zum Dorf zur Region; jede Einheit muss möglichst viel Energie erzeugen, speichern und verbrauchen. Man spricht dabei vom Microgrids, lokalen kleinen Netzwerken. Dass dies die heutige Struktur der Energienetze auf den Kopf stellt, ist vielen nicht bewusst. Gesetze, Verordnungen, Reglemente, aber auch die persönliche Haltung von Managern und Arbeitern bei den Elektrizitätswerken sind einfach nicht zeitgemäss. Zudem versuchen Sie in Märkte zu drängen, wo es bereits gute KMU gibt. Viele innovative KMU verschwinden dadurch leider. Von den im Gesetz stehenden diskriminierungsfreien Strukturen ist nicht viel übrig. Aus meiner Sicht müsste man den Energiemarkt komplett liberalisieren und maximalen Wettbewerb erzeugen. 

Fairpower: Wie wichtig ist erneuerbare Energie? / Welche Rolle spielen erneuerbare Energien bei der Energiewende und welche Technologien sind am vielversprechendsten? 

Marco Rüegg: 
Grundsätzlich ist Energie überlebenswichtig. Ohne Energie keine Wirtschaft und keinen Wohlstand. Dass wir seit dem 18ten Jahrhundert von importieren fossilen Energieträgern abhängig sind ist alarmierend. Anlagen zur Erzeugung von erneuerbaren Energien können wir vor unserer Haustür, respektive auf und an Gebäuden, einfach installieren. Hierbei sehe ich die Solarenergie als Schlüsseltechnologie, kombiniert mit mobilen Speichern in Fahrzeugen und lokalen Speichern auf verschiedenen Netzebenen. Mit diesen Elementen, und einer Steuerungssoftware, können die oben erwähnten Microgrids geschaffen werden. Das gewaltige Potenzial von Solarparkplätzen müsste ebenfalls rasch erschlossen werden. 

Fairpower: Wie können wir den Energieverbrauch reduzieren und Energie effizienter nutzen? 

Marco Rüegg: 
Dazu habe ich eine klare Meinung. In der Masse von Menschen wird Suffizienz, der Verzicht auf Energie, nicht funktionieren. Energiesparen kann nur durch intelligente Technologien funktionieren. Der Mensch ist zu bequem und der Druck, um Energie zu sparen ist zu klein, also dass diese funktionieren würde. Auch werden sich die Energiepreise langfristig nicht so drastisch erhöhen, dass sich Energiesparen wirklich lohnen würde. Und auch dann kämen vermutlich Politiker mit Energieverbilligungsinitiativen um die Ecke, was den Markt komplett verfälschen würde. Effiziente Technologien führen automatisch zur Reduktion des Energieverbrauchs.

Fairpower: Was sind die größten Herausforderungen bei der Umsetzung der Energiewende und wie können diese überwunden werden? 

Marco Rüegg: 
Das Change-Management funktioniert bei vielen Menschen nicht. Sie sind einfach zu bequem, um sich mit dem Thema zu beschäftigen. Es besteht leider die Gefahr, dass die Masse durch einseitige Medienberichte und promoten von vermeintlichen Alternativen die Lösungen gar nicht sehen will. Wenn wir die Kostenwahrheit in der Energiewirtschaft umsetzen würden, wäre die Energieerzeugung mit fossilen Energien und mit Kernenergie schon lange tot. Erneuerbare haben Grenzkosten gegen Null, da die Primärenergie (Sonne, Wind) gratis zur Verfügung steht. Dass dies vielen nicht passt, ist mir klar. Genau diese Eigennützigkeit müssen wir überwinden. Die Gegner der Erneuerbaren erzählen die Energiewende sei gescheitert. Dabei hat sie nicht einmal begonnen. In der Schweiz sicher nicht. Das ist vermutlich an der guten Versorgung durch die Wasserkraft und der vermeintlich CO2-armen Kernenergie geschuldet. Situationen wie Ende 2022 lehrten uns jedoch, dass die Abhängigkeit in Sachen Energie gewaltig ist (70% Öl und Gas) Und die Gefahr einer Versorgungslücke sehr gross. Die Alarmglocken müssten viel lauter schlagen.

Fairpower: Was machen Sie persönlich für die Energiewende? 

Marco Rüegg: 
Ich setze mich seit mehr als 30 Jahren für die Energiewende ein. Damals als Umweltaktivist, heute als Unternehmer und Politiker. Ich bin der Co-Präsident der Thurgauer Solarinitiative, habe mit Partnern die grösste Batterie der Schweiz gebaut und fahre seit mehr als 10 Jahren elektrisch. Im Wohnbereich setzen wir seit bald 15 Jahren auf eine Erdsonden-Wärmepumpe. Wir produzieren eigenen Solarstrom und kaufen Herkunftsnachweise, um den Restbedarf solar zu decken. Geschäftlich lässt es sich nicht immer vermeiden, aber privat sind wir in den letzten 15 Jahren nur einmal geflogen. Für unsere Kinder ist die Energiewende normal, also nichts Besonderes: Sie sehen es funktioniert!  

 

Portrait

Marco Rüegg ist gelernter Maschinenzeichner mit Weiterbildung zum Maschinenbau-Ingenieur HTL. Er studierte Kundenbeziehungsmangement an der ZHAW und ist Master of Marketing FH. In seinen Tätigkeiten sammelte Rüegg viel Erfahrungen über Digitalisierung, über IT-Plattformen und Softwaresysteme. Seit 2008 ist er in der Energiewirtschaft tätig. Er sammelte seine ersten Erfahrungen beim Elektrizitätswerk der Stadt Zürich (EWZ) und wurde 2012 Thurgauer Jungunternehmer mit einem Marktplatz für grüne Energien. 

Er ist Gründer der Fairpower AG, die er seit 2013 leitet. Fairpower beschafft für Schweizer Unternehmen und Konzerne Strom auf dem europäischen Markt und kümmert sich um die gesamte Abwicklung der Energie- und Netzrechnungen. Solarstromproduzenten mit einer PV-Anlage ab 100kW liefern ihre Solarstromüberschüsse an den Fairpower-Solarpool

Marco Rüegg ist seit 2020 Thurgauer Kantonsrat für die Grünliberalen. Dort setzt er sich für die Verbreitung von Solarenergie und für die Erhaltung der Lebensgrundlagen ein, mit liberalen Ansätzen. Er ist Initiant der Thurgauer Solarinitiative.